Dominanz und Rangordnung ?


...oder auch "die beliebteste Ausrede der Welt"!

Wie oft hört man von sog. Fachleuten, dass der Hund dominant sei, dass er sich als Ranghöchster sieht, dass man sich nicht wundern müsse, wenn man dann solche Probleme hätte...

Es gibt Leute, die sagen
  • ein Hund, der vor uns läuft, ist dominant
  • ein Hund, der auf dem Sofa liegen möchte, ist dominant
  • ein Hund, der andere anbellt, ist dominant
  • ein Hund, der uns direkt ins Gesicht guckt, ist dominant
  • ein Hund, der bettelt, ist dominant
  • ein Hund, der an der Leine zieht, ist dominant...

    und so könnte man das ewig fortsetzen. Ich habe sogar gelesen, dass ich ein Dominanzproblem mit meinem Hund habe, wenn er im Agility vor mir arbeitet .-)))

    Egal also, welches Problem man mit dem Hund hat, Dominanz ist die Ursache allen übels - so scheint es. Das ist ja man auch praktisch, denn so braucht man ja lediglich
  • immer darauf achten, dass man von seinem Hund nicht überholt wird
  • immer vor seinem Hund die Mahlzeit zu sich nehmen
  • seinen Hund immer wieder vom Sofa schmeissen
  • seinem Hund immer in die Augen starren...

    und schon sind alle Probleme beseitigt! Oder?
    Na, auf jeden Fall ist so erst einmal geklärt, dass auf jeden Fall der Hund die Schuld trägt. Der Halter ist ja nur das arme Opfer!
    Und wenn das nicht klappt, dann hat man dem Hund wohl noch nicht deutlich genug gezeigt "wer der Herr im Haus ist!" Und schon nimmt das Unheil seinen Lauf :-(

    Leider werden dabei oft ein paar "Kleingkeiten" übersehen:
  • wir riechen nicht wie ein Hund
  • wir kommunizieren nicht wie ein Hund
  • wir laufen nicht auf 4 Beinen
  • und wir sehen nicht einmal annähernd aus wie ein Hund


  • Wir unterstellen unseren 4-Beinern damit, dass sie zu dämlich sind, das zu bemerken. Ist das nicht (wieder einmal) ziemlich vermessen von uns?

    Und da stellt sich doch dann auch die Frage: wenn wir nicht einmal derselben Art entsprechen, wieso sollten wir dann eine Rangordnung mit unseren Hunden herausbilden können?

    In meinen Augen machen wir uns eher lächerlich, wenn wir uns vor unseren Hund drängen, damit er ja nicht vor uns läuft oder uns (speziell bei Welpenfütterung) bis zu 5 x täglich selbst etwas zu Essen nehmen müssen, damit wir unseren Hund füttern können. Das wäre mir auch alles viel zu anstrengend!
    Ausserdem müsste dann die logische Konsequenz auch sein, dass ich jeden Baum draussen "markiere" und anderen Hunden (natürlich zuerst) am Hintern schnüffele! *g*

    Wahrscheinlich werden jetzt die ersten Aufschreie laut. "Es funktioniert doch aber in einigen Fällen!"
    Tut es das? Wirklich? Und es hat sich sonst nichts verändert in der Beziehung zum Hund? Und der Hund ist glücklich? Wirklich?
    In meinen Augen funktioniert es sicher manchmal, aber das liegt dann bestimmt nicht daran, dass wir dem Hund jetzt zeigen, wer der Boss ist. Ich denke, es liegt einfach daran, dass uns jemand (oder auch ein Buch) ein genaues Strickmuster ("Hund") vorgibt, nachdem wir uns richten sollen. Und mit so einem Muster werden wir sicherer und einschätzbarer. Und DAS ist es, was ein Hund braucht: Sicherheit und Geborgenheit!

    Wenn ich aber nun mit meinem Hund keine Rangordnung bilde, was dann?



    Ich für meinen Teil lebe mit meinen Tieren in einer Partnerschaft. Eine Partnerschaft, in der wir alle Rechte und Pflichten haben. In der ich ein Vorbild bin, aber nicht der Boss. Eine Partnerschaft, in der man sich vertraut.

    Genauso, wie ich von meinen Hunden etwas verlange, können sie etwas von mir verlangen. Ich setze Grenzen, genauso wie meine Hunde Grenzen setzen dürfen. Ich möchte, dass meine Tiere mir vertrauen, so wie ich auch ihnen vertrauen können möchte.
    Ich möchte, dass meine Tiere gerne etwas für mich tun. Am liebsten aus freien Stücken. So, wie ich meist gerne etwas für meine Hunde tue (füttern, spazieren gehen, Beschäftigung). Sicher geht das nicht immer. Manchmal muss man halt auch einmal unangenehme Dinge erledigen (z.B. still am Strassenrand sitzen, obwohl man lieber mit dem Hund auf der anderen Seite toben würde). Das sind Grenzen, die ich setze. Aber ich musste auch einmal lernen, dass man mir diese Grenzen setzt. Auch ich kann nicht einfach über die Strasse rennen, wenn es mir passt. Vielleicht habe ich sogar einmal diese Erfahrung gemacht. Dann gebe ich diese nur weiter an meine Tiere, um sie zu schützen.

    Ich möchte, dass meine Tiere bei mir leben, also trage ich die Verantwortung. Ich habe Acht zu geben, dass ihnen nichts passiert. Und weil ich das tue, verdiene ich mir ihr Vertrauen.
    Auch verdiene ich mir ihr Vertrauen, in dem ich ihnen unbekannte Situationen mit Souveränität meistere. Ich zeige ihnen, dass es keinen Grund gibt, sich zu fürchten. So, wie ich meinen Hunden auch zeige, dass ich tolle Ideen habe, Spiele iniziieren kann, man sich bei mir Bestätigung abholen kann usw.... Eben als Vorbild, dass immer zu wissen scheint, was zu tun ist. Das hat aber nichts mit "Leittier sein" oder "Rangordnung durchsetzen" zu tun, sondern mit positiven Erfahrungen, die meine Hunde mit mir machen dürfen/ können/ sollen.

    Unsere Partnerschaft besteht aus Geben und Nehmen. Und das hat rein gar nichts mit antiautoritärer Erziehung zu tun, sondern mit Vertrauen.

    Natürlich muss sich dieses Vertrauen erst bilden im Laufe der Zeit - auf beiden Seiten. Und ich helfe meinem Hund, in dem ich ihm konsequente und sichere Grenzen aufzeige. Er selbst muss lernen, mich einzuschätzen und das geht nicht, wenn ich mehrmals täglich meine Meinung ändere. Er soll erfahren können, dass auf mich Verlass ist.
    Und Vertrauen und Verlass hat nichts damit zu tun, ob ich meinen Hund aufs Sofa oder ins Bett lasse oder nach ihm esse....

    Natürlich heisst das auch nicht, dass man nur Vertrauen gewinnen kann, wenn man den Hund aufs Bett lässt:-)

    Dominanz und Rangordnungsprobleme sind eine beliebte Ausrede. Die Ursache scheint schnell gefunden und Probleme werden mit Hilfe des Strickmusters "Hund" abgestellt. Aber so einfach ist es leider nicht.
    Denn, was auch gerne einfach nicht beachtet wird: "Dominanz ist keine Eigenschaft"! Es gibt keine dominanten Hunde! Es gibt lediglich Situationen, in denen der eine Hund gerade einen anderen dominiert, aber damit ist er nicht der Herrscher über alle und hat auch gar nicht vor es zu werden.
    Das "Unangenehme" an dieser Erkenntnis ist für viele, dass man sich nun mehr Gedanken machen muss, warum diese Probleme entstehen konnten und wie man sie im Sinne beiderseitigen Vertrauens in Zukunft verhindern kann..



    Und da ist es wieder, das Zauberwort einer jeden Beziehung:

        Vertrauen

    Lest Euch auch die Gedanken eines Hundes dazu durch!

    Ich hoffe, Eure Hunde vertrauen Euch und ihr vertraut ihnen! :-)
    Ich wünsche Euch eine tolle Partnerschaft!!!


    www.bordermix.de
    Diana Drewes